Im Schweizer Milchmarkt liegen ein «zu viel» und ein «zu wenig» sehr nahe beieinander. Es braucht nur ein oder zwei Prozent mehr oder weniger Milch, und der Markt ist aus dem Gleichgewicht. Weil Butter von allen gut lagerbaren Milchprodukten das am einfachsten herzustellende ist, wirkt sich das bisschen «zu viel» oder «zu wenig» immer in einem zu hohen oder zu tiefen Butterlager aus. Zu viel Butter muss dann ins Ausland exportiert werden, bei zu wenig Butter sind wir auf Importe angewiesen. Das ist nichts Neues, dieses Marktgeschehen beobachten wir bereits seit Jahrzehnten. Und dennoch hat es im letzten Jahr viele Beobachter überrascht, wie schnell und stark das Schweizer Butterlager im Lauf des Frühsommers gestiegen ist. Wegen Veränderungen im Absatz von zwei bis drei Prozent der Milch, hatten wir innerhalb weniger Monate ein paar Tausend Tonnen zu viel Milchfett, was sich direkt im Butterlager niederschlug. Im Juni hat das Butterlager einen seit langem nicht mehr gesehenen Höchststand von über 8000 t erreicht.

Diese Veränderungen haben verschiedene Ursachen, der Geschäftsbericht geht ausführlich darauf ein. Die Gremien der BO Milch haben auf die Entwicklung im Markt reagiert und in vielen Sitzungen und Hintergrundgesprächen die Instrumente zur Stabilisierung des Milchmarkt sorgfältig geprüft und Anpassungen erarbeitet. Die an der ausserordentlichen Delegiertenversammlung vom letzten September beschlossenen Massnahmen haben dann rasch Wirkung gezeigt. Heute präsentiert sich der Schweizer Milchmarkt unter anderem wegen diesen Massnahmen wieder einiges stabiler als vor neun Monaten.

Es gibt weitere Bereiche, die sich 2024 positiv entwickelt haben: Stolz sind wir auf die erfolgreiche Umsetzung der flächendeckenden Einführung des Grünen Teppichs. Alle Akteure in der Milchbranche haben mit Willen, Überzeugung und guten Argumenten mitgeholfen, das Ziel zu erreichen. Im Lauf des Frühlings 2024 konnten wir eine positive Bilanz ziehen. Bis auf wenige Ausnahmen erfüllt nun sämtliche Schweizer Milch die Anforderungen des Branchenstandards für nachhaltige Schweizer Milch. Ausnahmen betreffen zum Beispiel Betriebe, die kurz vor der Übergabe stehen oder ein Umbauprojekt planen. Hier gilt eine Übergangsfrist. Mit der flächendeckenden Nachhaltigkeit erhöhen wir die Glaubwürdigkeit der in der Kommunikation gemachten Versprechen für die Mehrwerte der Schweizer Milch. Unsere Kühe sind nicht nur auf den Plakaten auf der Weide oder im Auslauf, wir setzen mit dem Grünen Teppich den Standard, dass es tatsächlich auch so ist.

Eine Herausforderung für die Schweizer Milchwirtschaft blieben die vielen Diskussionen in der Politik und der Gesellschaft über die Milch. Auch 2024 gab es Vorstösse im Parlament, welche direkt den Milchmarkt betreffen. Wir freuen uns über das grosse Interesse der Öffentlichkeit an unseren Themen, allerdings braucht es jeweils viel Energie und Aufwand, auf Vorschläge und Vorstösse sachlich zu reagieren. Bei der bereits im Vorjahr von beiden Parlamentskammern angenommenen Motion Nicolet, welche einen für den Käsemarkt gefährlichen Eingriff in den Markt zur Folge hätte, konnten wir uns innerhalb der Branche auf einem guten Alternativ-Vorschlag einigen. Wir können so viel sagen, dass dieser Vorschlag beim Bundesamt für Landwirtschaft gut angekommen ist. Es wird in den kommenden Wochen entscheiden, in welcher Form es das Geschäft nun ins Parlament zurückschicken wird. Wir sind hier weiterhin bereit, konstruktiv mitzuarbeiten.

Es gibt einen Bereich, wo wir 2024 weniger erfolgreich waren: Es ist uns nicht gelungen, die sehr hohe Komplexität des Schweizer Milchmarkts massgebend zu vereinfachen. Vieles liegt hier ausserhalb unserer Reichweite. Zum Beispiel erfordert der teilliberalisierte Markt eine Aufteilung in Segmente, damit die gute Wertschöpfung im geschützten Marktbereich nicht vom liberalisierten Marktbereich hinuntergezogen wird. Wir haben uns für 2025 aber das Ziel gesetzt, dass dort, wo Vereinfachungen in unserer Reichweite sind, diese auch anzustreben und dort, wo dies nicht möglich ist, die Komplexität besser zu erklären. Dies ist nicht nur die Aufgabe der Geschäftsstelle, sondern aller Marktakteure und wir fordern Sie alle zur Mithilfe für die Erreichung unseres Ziels auf: Vertrauen schaffen in unsere Organisation, damit die wichtigen Instrumente zur Stabilisierung des Milchmarkts weiterhin im Interesse der ganzen Branche wirken können.

 

Peter Hegglin, Präsident, und Stefan Kohler, Geschäftsführer


































Klimarechner

 

Die Delegierten haben sich im April 2024 mit grosser Mehrheit für die Einführung eines Standard-Klimarechners der Milchbranche ausgesprochen. Dank ihm lässt sich der bislang fehlende Wert der Treibhausgas-Emissionen pro Kilo Milch auf Stufe Produktion ermitteln. Mit ihrem Entscheid legten sie folgende Eckpunkte fest:

  • Standardrechner ist das vom Ressourcenprojekt KlimaStar verwendete Klir-Tool: Die BO Milch akzeptiert die Anwendung und die Resultate weiterer von ihr anerkannter Tools. Betriebe, die ein anerkanntes Tool nutzen, müssen zur Berechnung der Treibhausgas-Emissionen aus der Milch das Klir-Tool nicht zusätzlich anwenden.
  • Die BO Milch erwirbt die Rechte, um das Tool für ihre Zwecke anzupassen. Da mehr User erwartet werden, soll es massentauglicher und anwenderfreundlicher werden. Der Standardrechner lässt sich gemäss den Bedürfnissen anderer Betriebszweige bzw. Branchen ausbauen. Er ist für einen gesamtbetrieblichen Einsatz konzipiert.
  • Die Verwendung des Klimarechners bzw. von klimagerechneter Milch ist für alle Marktteilnehmer freiwillig.
  • Der Referenzwert von Schweizer Milch (kg CO2eq / kg Milch), auch Baseline genannt, ergibt sich aus dem Mittelwert der ersten 3 Berechnungsjahre.
  • Die Milchbranche setzt sich folgende Klimaziele: Sie reduziert die Treibhausgas-Emissionen pro Kilo Milch bis fünf Jahre nach Einführung des Klimarechners um 10 Prozent, bis zehn Jahre nach Einführung um 20 Prozent von der mithilfe des Klimarechners ermittelten Basis. Gleichzeitig soll der Inlandwert 30 Prozent unter dem Mittelwert der EU liegen.
  • Für das Erheben der Treibhausgas-Emissionen erhält der Milchproduktionsbetrieb eine Abgeltung von 1 Rp. pro Kilo klimagerechneter Milch.
  • Die Anerkennung und die Abgeltung der Reduktionsleistung, die auf dem Produktionsbetrieb erreicht werden, ist Sache der Marktpartner.
  • Der Zeitpunkt des Ausrollens des Klimarechners liegt im Ermessen des Vorstands.

 

Die Projektorganisation

Verschiedene Gremien der Projektorganisation (siehe unten) arbeiten am Projekt. Es ist in sieben Teilprojekte mit unterschiedlichen Verantwortlichen gegliedert. Begleitet wird es von einer siebenköpfigen Projektgruppe. Für das Teilprojekt «Strategische IT-Partnerschaft» ist das IT-Board verantwortlich.


Projektorganisation.png

Anpassungen am Tool und sonstige Wissenschafts-relevanten Fragen beurteilt der Wissenschaftliche Beirat. Ihm gehören folgende Expertinnen und Experten an:

  • Daniel Bretscher, Agroscope
  • Laura Jakobeit, Go-For-Impact, Expertin SBTi/Flag und GHG Protocol
  • Markus Rombach, Agridea
  • Ophélie Sauzet, HEPIA Genf
  • Ursina Schärer, Projektleiterin Nachhaltigkeit, SMP

 

Wahl des strategischen IT-Partners

Die Wahl einer strategischen IT-Partnerschaft war entscheidend, um die technischen Anforderungen zu erfüllen, die für eine erfolgreiche Umsetzung des Klimarechners nötig sind. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem IT-Anbieter, der HAFL – sie hat den Algorithmus des Rechners entwickelt – und der BO Milch wird sichergestellt, dass die Datenverarbeitung effizient gestaltet wird, der Rechner einfach anwendbar ist und die Ergebnisse für die Produzenten nachvollziehbar und gleichzeitig repräsentativ für die Milchbranche sind.

Zur Wahl des strategischen IT-Partners wurde das IT-Board von einer externen, unabhängigen Fachperson unterstützt. Zusammen haben sie einen umfassenden Kriterienkatalog mit 47 Anforderungen erstellt. Das IT-Board hat fünf Anbieter aus der ganzen Schweiz angefragt, sich an der Ausschreibung zu beteiligen, vier von ihnen haben ihr Angebot eingereicht. Nach der schriftlichen Eingabe hat das IT-Board in längeren Interviews offene Fragen mit den Anbietern geklärt. Aus diesem Prozess ging das Angebot der Barto AG, Bison Schweiz AG und Agridea als klarer Favorit hervor, sodass dieser Vorschlag dem Vorstand unterbreitet wurde, der ihn im November guthiess.

 

Die Umsetzung ist im Gang

Nach dem Entscheid des Vorstands begannen die Beteiligten sofort mit der Umsetzung des Projekts. Dank dem Import der meisten Grunddaten über Schnittstellen – zu den Quellen gehören die DBMilch, der Bund für Daten zum Milchproduktionsbetrieb und die TVD für Tierdaten – soll der Klimarechner der BO Milch noch benutzerfreundlicher ausgestaltet werden als das beim Klir-Tool der Fall ist. Dies einerseits, um ihn auf mehr Nutzerinnen und Nutzer auszulegen, andererseits auch, um die Plausibilität der Eingaben zu gewährleisten. Parallel zur Umsetzung hat die HAFL den Auftrag zu ermitteln, wie viele Milchproduktionsbetriebe aus welchen Regionen und mit welchen Produktionsformen den Rechner nutzen sollten, um ein für die Schweizer Milch repräsentatives Resultat zu erhalten. Bei dieser Fragestellung, wie auch bei anderen, zeigt sich, dass die Erfahrungen aus dem Ressourcenprojekt KlimaStar, das das Klir-Tool nutzt, für die BO Milch und ihren Klimarechner sehr nützlich sind.

















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